Mittwoch, 30. Mai 2012

Servus!

Servus zusammen,

letzthin sprach mich jemand auf meine liebste Grußformel mit dem Wortlaut "Servus" hin an und meinte: "Hey, du weißt schon das du den anderen damit als Sklaven grüßt und das eigentlich ein "niederer" Gruß ist und deshalb schon extrem unhöflich ist?" Sichtlich überrascht von dem Wissen  Desjenigen, der mich da belehrte phrasierte ich prompt, mit einer rechts hochgezogenen Augenbraue: "Sind wir nicht alle Sklaven von irgendwas oder irgendjemanden?" Das Gespräch, das Thema war somit genauso schnell beendet, wie es begann, glücklicherweise. Denn, meine Gedanken drehten sich schlagartig nur noch um das eine: "Wovon bin ich ein Sklave, was macht mich zum Untertan, was hat die Macht über mich?"

Philosophische und theologische Gedankenspiele entfalteten sich in meinem Geist und kapselten mich mal wieder radikal von meiner Umwelt ab. Ich denke an afroamerikanische Sklaven, welche von Weißen zur Zwangsarbeit misshandelt wurden und an ihre Aufstände und Bürgerrechtsaktivisten. Ich denke an die Worte in der Bibel, dass ein Christ ein Sklave des Herrn sein soll und ausschließlich ihm dienen soll. Ich dachte an menschenunwürdige Ausbeutung und gewissenloser Bereicherung auf kosten von vielen Unschuldigen. An gewissenlose Geschäftemacher, welche nur ihren Reichtum und Profit sehen, aber nicht der Menschen, der ihn erarbeitet. Mir schallt das Sklavendasein von Pornographie im Schädel, welche falsche Maßstäbe und Vorstellungen in die Köpfe der Konsumenten brennt. Mir kommen Prostituierte und ähnlich fehlgeleitete Persönlichkeiten in den Sinn, welche tief in einem weltweiten Sumpf der Menschenschrieberrei und kranken, sexuellen Machtspielchen noch schlimmer fehlgeleiteter Männer stecken. Und ich denke an die Dinge und Einflüsse, welche uns so sein lassen, wie wir letztendlich sind.

Sklaven der Angst, Sklaven des Mammon/Dollar/Euro, Sklaven der Habgier, Sklaven der Selbstsucht, Sklaven des Leistungsdrucks, Sklaven der Werbeindustrie, Sklaven von Macht- und Egospielchen und so weiter. Mit hunderten weiteren Sklaventreibern würde sich die Liste fortführen lassen. Immer sind es Kräfte, Mächte und  Eindrücke welche maßgeblich Einfluss auf unser Denken und Handeln haben wollen. Doch wollen sie uns , bis auf einige wenige Ausnahmen,  nichts gutes. Stattdessen wollen sie nur sich selbst bereichern, so wie die ehemaligen Kolonialherren des alten Europas im Industriezeitalter.

Wikipedia schreibt: "Er kommt aus dem Lateinischen (servus, lat: „der Sklave“, „der Knecht“) und bedeutet in Kurzform „Ich bin Dein Diener“ oder „zu Diensten“." Aus diesem Standpunkt zeigt sich erst der Trugschluss, des Belehrenden im ersten Absatz. Es heißt eigentlich, dass der Grüßende der Sklave ist und nicht der Gegrüßte. Aber das hält mich nicht vom Weiterdenken ab.

Würde ich mir das direkt in meinen Sprachduktus übertragen, würden wahrscheinlich die Meisten schief gucken. Es wäre einfach zu ungewöhnlich, meinem Nächsten zum Gruße eine solche Formel zu entgegnen. "Ich bin dein Diener, Günther!" - "Zu Diensten, KFZ-Meister, welcher mit die defekte Birne an meinem Auto wechselt!" Schon schräg, wie ich auf den ersten, ja, sogar auf den zweiten Blick empfinde.

Aber wie ist es, wenn ich mal weiter darüber nachdenke. Was steckt wirklich hinter dieser Haltung. Und Apropos "meinem Nächsten" - steckt das nicht eine tiefere, biblische Aussage dahinter?!

Als Christ mache ich mir häufig über nüchtern-weltlich betrachtete "belanglose" Dinge mehr Gedanken, als es vielleicht zu erwarten ist - aber gerade diese, meist philosophisch, theologisch und historisch fundierte Gedanken machen so einen Spaß, das es mir zu einem meiner liebsten Hobbys geworden ist, sofern man dies als ein Solches nennen kann. Das noch kombiniert mir Linguistik und Lyrik - und mein Gesicht strahlt wahre Freude aus. Aber das nur nebenbei, zur Erklärung. Des Weiteren wachse ich selbst an vielen solcher Gedanken geistig weiter und gibt mir das Gefühl, etwas bereicherndes mit meinen Ressourcen angefangen zu haben. Auch wenn es sich in jenen Fällen nicht um klassisches Auspowern / den üblichen Energieabbau im sportlichen Sinne geht.

Aus christlicher Sicht ist "Servus" eigentlich eine der besten, würdigsten und passendsten Grußformeln, welche man überhaupt wählen könnte. Zudem kommt, dass man damit auch nicht an Tages- oder Jahreszeiten und Hallo-Formel oder Tschüss-Formel gebunden ist. Aus dem geschichtlichen Aspekt ist man nicht einmal an eine Hierarchie gebunden - da "Servus" in der Vergangenheit selbst in der bayrischen Elite, wie dem ehem. Herrschaftshaus oder den dazugehörigen Aristokraten üblich war. Letztendlich drückt "Servus" eine freundliche, zuvorkommende, allround Grußformel mit, meiner Meinung nach, tollem Klang aus.

Weiter gedacht drückt es aber auch eine echt biblische Haltung gegenüber dem Nächsten aus - auch wenn ein Servus vorrangig bis ausschließlich gegenüber dem Grüßenden sympathischen Menschen geäußert wird.

Auch wenn man sich jetzt nicht sehr mit dem christlichen Glauben persönlich identifizieren mag, ist das Gesetzt der Nächstenliebe das überhaupt vernünftigste was je unter der Menschheit verbreitet worden ist. Biblische Werte und Moral bilden auch das Grundgerüst für das deutsche Grundgesetz. Und wenn es, aus unchristlicher Sicht, Jesus wirklich gegeben hat - und er auch stets das sagte und das getan hat, was da in der Bibel seht, dann ist er auch das beste Vorbild überhaupt. Das wäre es sogar, wenn es ihn nicht gegeben hätte und die Bibel bloß ein Märchen wäre.

Versteht mich nicht falsch. Ich versuche den Nicht-Christen zu vermitteln, dass selbst wenn sie nicht daran glauben sollte, der Inhalt der Bibel stets höchst lehrreicher Natur ist. Darum habe ich die folgenden drei Bibelstellen, welche die "Servus-Thematik" ansprechen herausgesucht.

" Welcher von beiden ist größer: wer bei Tisch sitzt oder wer bedient? Natürlich der, der bei Tisch sitzt. Ich aber bin unter euch wie der, der bedient." Lukas 22,27 EU
Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.  Markus 10,45 EU
Darauf wird der König ihnen antworten: ›Ich sage euch: Was immer ihr für einen meiner Brüder getan habt – und wäre er noch so gering geachtet gewesen –, das habt ihr für mich getan. Matthäus 25,40  NGÜ

Alle drei Aussagen sprechen eine äußerst hohe Form der Nächstenliebe an. Sie sprechen an, dass wir uns an Jesus ein Beispiel nehmen sollen, ihn als Vorbild für unser Leben einsetzten sollen und sich Hass und derartiges Verhalten gegen dieses Idealbild stellt. Jesus sagt zu den Christen, dass sie all den Menschen, welchen sie begegnen immer dienlich sein sollen. 


"Und wenn jemand von dir verlangt, eine Meile mit ihm zu gehen, dann geh zwei mit ihm."  Matthäus 5,41 NGÜ

Selbst wenn der Nächste / der Gegenüber nur sein Bestes im Sinn hat, soll man ihn nicht abweisen, sondern mit ihm weiter gehen, als er es verlangt hat. "Mission: Leben" nennt sich so etwas unter Christen. Durch eigenes, "liebenswürdiges" Verhalten gegenüber dem Nächsten wird er einen Selbst auch höher schätzten.


Ich bin mir aber auch durchaus bewusst, dass es nun auch Menschen gibt, welche einen wirklich nur ausnutzten wollen. Sie lassen sich nicht durch das "dienliche", nächstenliebende Verhalten zu einer besseren Persönlichkeit bewegen. Letztendlich geht es auch nicht darum, dass der Christ (und jetzt kommt ein Nicht-Christ nicht mehr mit) ein Sklave des Herrn ist und in seinem Auftrag den Dienst am Nächsten verübt. Doch stellt sich einer dieser ausnützenden Missetäter gegen uns, gegen den Herren der Christsklaven, so wird er auch keine entsprechende Unterstützung von den Christen, in seinem egoistischem Sinn bekommen. Schließlich wurden die Gottesgläubigen (im Alten Testament noch Juden) aus der Tyrannei des Pharaos von Ägypten auch von Mose in die Freiheit geführt.

Nach dieser theologisch-geistlichen Exkursion lässt sich eigentlich nur noch eines erwähnen.

Mein liebster-, allround-Gruß hat ein festes Fundament auf festem Grund. Und keiner wird es mir zerstören können. Egal ob er nach einer "menschlichen" Hierarchie über mir "verkehrt" oder einen fraglich schlauen Spruch auf den Gruß "Servus" hat.


servas & by niesreiz (original written by niesreiz)
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